Woher kommt "Coaching" und was ist das eigentlich ?

"Ein (zugegebenermaßen) sehr kurzer Abriss über die Geschichte des Coaching"

Coaching ist die inzwischen gängige Bezeichnung für professionelle Managementberatung. Die ersten Nutzer von Coaching waren Führungskräfte aus betrieblichen Organisationen, die erkannt hatten, daß sie in schwierigen Arbeitssistuationen oder bei Vorliegen besonderer Fragestellungen davon profitieren konnten, mit einem neutralen Dritten klärende Gespräche zu führen.

Im sozialen Dienstleistungssektor entstanden bereits seit den 60er Jahren die verschiedensten konzeptionellen Beratungsformen für MitarbeiterInnen und Führungskräfte unter der Bezeichnung Einzel-, Team- und Gruppensupervision.


Seit den 70er Jahren galt es als Teil der professionellen Arbeit, auch innerhalb der Organisation Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Reflexion der eigenen Berufstätigkeit lag im gesellschaftspolitischen Trend geforderter Selbst-Aufklärung und kritischer Haltung gegenüber den Institutionen sozial tätiger Berufsgruppen. In diesen Berufsgruppen galt die Reflexion der eigenen beruflichen Tätigkeit und die Reflexion von Interaktionen mit Kollegen, Vorgesetzten und Klienten bereits als wesentlicher Teil von Berufstätigkeit. So war für diese Berufsgruppen die Schwelle leichter zu überwinden, einen Experten zur Förderung des eigenen beruflichen Expertendaseins zu engagieren.

Diese Entwicklung schloß jedoch Beratungsleistungen für Manager, nämlich Führungskräfte in Produktionsbetrieben und anderen Profitunternehmen, schon durch die Herkunft traditioneller Supervisionskonzepte aus dem sozialarbeiterischen und insgesamt eher therapeutisch orientierten Umfeld aus.


Unter dem Begriff Coaching wurden seit dem Ende der 80er Jahre unterschiedliche Einzel-, Team- und Kleingruppenberatungsformen für Führungskräfte aus den verschiedensten Berufen und Hierarchieebenen entwickelt. Inzwischen konzentrieren sich Definitionen dieser Beratungsleistung stärker auf das Einzel-Setting von Coaching, einen Gesprächsprozeß "unter vier Augen" (W. Looss, 1997).

Diese Beratungskonstellation folgt dem grundlegenden und nachvollziehbaren Bedürfnis von Managern, zur Beratung diffiziler Führungsanliegen einen geschützten Rahmen außerhalb ihrer Organisation zur Verfügung zu haben. Innerhalb ihrer Organisation sind sie auf ihr Funktionieren als Führungskraft festgelegt und angewiesen. Weder können noch wollen sie innerhalb ihrer Organisation diese Rolle verlassen, was mit dem öffentlichen Eingeständnis, einer Beratung zu bedürfen, bereits geschehen wäre. Solche Eingeständnisse werden nach wie vor von vielen Managern und Mitarbeitern mit einem allgemein gefürchteten "Nicht mehr funktionieren" assoziiert.

Insofern reagierte die beraterische Entwicklung der Dienstleistung Coaching auf einen sehr wohl bestehenden, aber lange nicht gedeckten Beratungsbedarf von Managern in Profit-Organisationen und auf ihre speziellen unternehmerischen beruflichen Situationen.

Der Begriff Management entstammt der betriebswirtschaftlichen Literatur und bezeichnet ursprünglich Personen, die für die Steuerung von Leistungsprozessen und die Leistungssicherung in Betrieben verantwortlich sind. Solche reinen Leitungsfunktionen sind in allen produzierenden, aber auch in Dienstleistungsunternehmen zu finden, deren Größenwachstum Arbeitsteiligkeit erforderlich gemacht hat. (Schreyögg, A., 1999)

Die Organisationskulturen sind zwar im betrieblichen Management und im Sozialmanagement recht unterschiedlich, woraus ebenso unterschiedliche Managementprofile resultieren, aber das Leitprinzip aller managerialen Handlungen bleibt immer die Zweckrationalität. Alle Aktionen des Managers müssen letztlich an einer maximalen Zielerreichung bzw. der Effizienz und des Wachstums eines Systems orientiert sein (Schreyögg, A., 1999)


Während die ersten Coaches aus der betriebswirtschaftlichen, technischen und juristischen Berufs- und Beratungspraxis kamen und sich mit ihren Feldkompetenzen aus ihren jeweiligen unternehmerischen Bezügen gut auf manageriale Belange einstellen konnten, blieb der soziale Dienstleistungssektor samt angewandter Beratungsangebote bis weit in die 90er Jahre hinein eher ablehnend gegenüber klassischen Managementfunktionen wie Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle.

Mit diesen unterschiedlichen Entwicklungssträngen von Berufstätigkeit sowie Beratung von Führungskräften im Management und Sozialmanagement gehen seit Jahrzehnten ebenso unterschiedliche Ideologiebildungen einher, wie sie zuvor kurz skizziert worden sind.

Derzeit entwickeln sich jedoch gegenläufige Trends: Angesichts des zunehmenden Konkurrenzdrucks und ökonomischer Krisen, die inzwischen auch soziale Dienstleistungssysteme zu effizientem und wirtschaftlichem Arbeiten zwingen, öffnet sich das Sozialmanagement zunehmend auch Beratern, die dem betriebswirtschaftlichen Umfeld entstammen.


Während in Coachingprozessen im Management vielfach Themen verhandelt werden, die am Arbeitsplatz nicht oder nur sehr schwer zu verhandeln sind, also vor allem emotionale individuelle, soziale und organisatorische Belange, zeichnet sich inzwischen im Sozialmanagement eine gegenläufige Bewegung ab.

Von Sozialmanagern werden zunehmend grundlegende Leitungsthemen vom Verstehen und Handhaben von Planung, Organisationsprozessen und Personalführung als relevante Coaching-Themen benannt und bearbeitet.

Die Entwicklungstrends könnte man also kurz so skizzieren, daß im Management ein wachsendes Interesse an nicht nur zweckrationaler Ausrichtung von Managementtätigkeit zu beobachten ist, während sich im Sozialmanagement das Interesse an zweckrationaler Ausrichtung von Managementtätigkeit deutlich gesteigert hat.
 



 

Was geschieht im Verlauf eines Coaching-Prozesses?

Es handelt sich um eine personen- und organisationsbezogene Beratung für die Berufspraxis einzelner Führungskräfte. Die Beratung konzentriert sich im Verlauf eines vertraglich geregelten und zeitlich begrenzten Gesprächsprozesses auf die persönliche Beratung der aktuellen Mangementtätigkeit des Klienten in seiner Organisation.

Die Beratung findet optimalerweise durch einen neutralen Berater statt, der keine Bindungen mit dem System des Klienten hat, so daß sich dieser darauf verlassen kann, ohne Furcht vor Konsequenzen in der Beratung alles das aussprechen zu können, was am Arbeitsplatz auch aufgrund seiner Führungsrolle mit Risiken verbunden wäre. (Looss, 1997) Die Inhalte der Beratung werden von den Beteiligten als vertraulich behandelt.

Das Anliegen des Klienten resultiert aus seiner aktuellen beruflichen Situation, die z.B. problematisch erlebt wird und nach einer Lösung verlangt oder die konstruktiv erlebt wird und nach Kompetenzerweiterungen und Vertiefung sucht. Beratungsanliegen können aus Umstrukturierungen innerhalb der Organisation entstehen, die eine neue Orientierung in der Organisation erforderlich machen bzw. eine Erweiterung oder Veränderung der beruflichen Position nach sich ziehen. Solche organisatorischen Veränderungen können z. B. höhere Kompetenzen nach sich ziehen, die in einem höchstpersönlichen Lernprozess im Coaching zu erarbeiten sind.

Etablierte Personalentwicklungskonzepte greifen angesichts so spezieller Anliegen einzelner Führungskräfte oft nicht deren konkreten Bedarf auf. Sie bleiben meist eher pauschal und damit einseitig orientiert, wenn sie den Bedarf einer größeren Gruppe abdecken sollen. Traditionelle Formen der Angebotspalette lassen sich unter zwei Gesichtspunkten differenzieren: Entweder werden Seminare zur Wissensvermittlung angeboten, die rein kognitiv orientiert sind. Oder es werden Trainings mit psychologischer Orientierung angeboten, die ein emotionales Lernen befördern wollen. (Schreyögg, A., 1999)

Aber weder rein rationales und pauschales Lernen noch die Schulung sozialer und personaler Kompetenzen auf der Basis verschiedener psychologischer und sozialpsychologischer Konzepte kann die Anschlußfähigkeit des Gelernten an die konkrete Lebens- und Arbeitswelt des einzelnen daran teilnehmenden Managers garantieren.

Coaching dagegen trägt diesem Dilemma insofern Rechnung, als daß es immer die spezifischen, situativ relevanten fachlichen Fragestellungen mit einzelnen Führungskräften verhandeln kann. Dabei ist ein fachliches und emotionsorientiertes Lernen möglich. Es ist ein living learning, das sowohl die Bewältigung von Problemlagen als auch die Wahrnehmung von Kompetenzen und deren Vertiefung und Erweiterung gewährleisten kann.

Indem Coaching prozessual und thematisch entlang der aktuellen Berufstätigkeit veranstaltet wird, kann das in der Beratung Erarbeitete wesentlich konkreter in den Beruf transferiert werden.

In aufeinanderfolgenden Sequenzen wird die vom Kunden vorgetragene Situation zunächst diagnostisch erarbeitet, um im weiteren Verlauf übungszentriert konkret bearbeitet werden zu können. In folgenden Beratungssitzungen können die am Arbeitsplatz praktizierten Schritte ausgewertet werden und neue Konsequenzen sowie weitere Handlungsalternativen überlegt, erarbeitet und geplant werden. Die Auseinandersetzung mit dem Transfer des Gelernten stellt einen zentralen Bestandteil von Coaching dar.
 



 

Was ist Coaching
vor dem Hintergrund von Situationsdynamik?

Wenn ein Coaching-Prozeß vor dem Hintergrund von Situationsdynamik stattfindet, wird im Einzelberatungs-Setting die berufliche Wirklichkeit des Klienten gemeinsam (re)konstruiert, erlebt und reflektiert. Es können aus verschiedenen Perspektiven alternative Verstehenszugänge erarbeitet werden, die auch zur Einübung von Rollendistanz und Rollenflexibilität beitragen.

Hinsichtlich gewünschter bzw. erforderlicher Veränderungen in der Organisation wird an der Vertiefung von Kompetenzen gearbeitet, werden neue Kompetenzen erlernt und/oder an einem breiterem Wissens- und Handlungsspektrum als Führungskraft gearbeitet, um einen angemessenen Transfer in die Organisation des Klienten zu ermöglichen.

Diese Beratungsarbeit für Führungskräfte kann man also als Arbeit an der Führungsarbeit in all ihren persönlichen, sozialen und organisatorischen Belangen verstehen. Ihr Ziel möchte ich als bewußtes, deutlich intendiertes beruflich effektives und persönlich zufriedenes Handeln von Führungskräften beschreiben. (G. Fatzer, K. Eck, 1990)
 

Situationsdynamik als Hintergrundtheorie zu managerialer Beratungsarbeit ist eine Theorie, die von Herbert Euschen (Ludwigshafen 1983) entwickelt wurde. Sie ist ein Produkt der theoretischen Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Situationsdynamik e.V. und ist vor allem aus zeitgeschichtlichen, geisteswissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragen der 70er-Jahre hervorgegangen.

Ohne in ihrer weiteren Entwicklung historische und geisteswissenschaftliche Wurzeln zu vernachlässigen, orientiert sich die fortlaufende Forschungstätigkeit, mit der Situationsdynamik als Hintergrundtheorie weiter entwickelt wird, am aktuellen Bedarf der Beratungs-Klienten und ihrer Organisationen. Auch konzeptionelle Entwicklungen orientieren sich an deren aktuellen Entwicklungs- und Gestaltungsprozessen und dem Beratungsbedarf, der sich aus der Sicht des Klienten ableiten läßt.

Für die grundlegende Haltung von Beratern und Beraterinnen, die mit diesem theoretischen Hintergrund arbeiten, ist ein reflektierter und praktizierter Situationsbegriff ausschlaggebend, den ich wie folgt beschreiben möchte:

Situation läßt sich als Beschreibung von sich selbst in Beziehung zur Welt als zeitlich und räumlich definiertes Konstrukt verstehen. Solche Beschreibungsversuche sind alltägliche Vorgänge im Leben aller Menschen, die nicht immer bewußt geschehen.

Jedoch handelt es sich immer um das kompetente, nämlich gelungene Konstruktsergebnis des Beschreibenden, mit dem er sich in seiner Welt denkend, handelnd und kommunizierend zu bewegen versteht.

Solche auch unbemerkt geschehenden Beschreibungen dienen der Bewältigung von unausweichlichen Spannungen, die im Individuum selbst auftreten und die im Zusammenleben in Institutionen und Organisationen unvermeidlich zwischen dem Einzelnen und anderen auftreten.

Während der Einzelne seine Situation beschreibt, erklärt er sie sich selbst und anderen, gibt ihr so einen sozialen Sinn und schafft auf diesem Wege Ordnung in seiner Welt. (W. Fuchs et.al., 1988)

Im Sinne der Situationsdynamik ist Coaching ein Gesprächsprozeß in der gegebenen Situation. Der Gesprächsprozeß läßt sich durch die vier Aspekte der Situation nicht nur strukturieren, sondern auch in seiner Dynamik verstehen und gestalten. Diese vier Aspekte sind die Ich-, Wir, Sach- und die intentionale Dynamik der Situation, deren gegenseitige Bedingtheit es ermöglicht, die Komplexität der gegebenen Situation wahrzunehmen und gestaltend Einfluß darauf zu nehmen. (Euschen, H., 1989)

Die Idee und Konzeption der Situationsdynamik dient als sozialwissenschaftliche Grundlage dem professionellen Einsatz verschiedener Reflexions- und Beratungsansätze, die auf der Basis systemtheoretischer Grundlagen sowohl psychoanalytische als auch gruppendynamische sowie organisationspsychologische und systemberaterische Modelle je nach Bedarf des Klienten zur Verfügung stellen bzw. miteinander verbinden kann.